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Enrique Cortés

Der 26. Stock

  • Autor:Enrique Cortés
  • Titel: Der 26. Stock
  • Serie:
  • Genre:Fantasy
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Deutscher Taschenbuch Verlag
  • Datum:01 Juni 2011
  • Preis:9,95 EUR

 
»Der 26. Stock« von Enrique Cortés


Besprochen von:
 
D. Eisenhart
Deine Wertung:
(4.5)

 
 
Isabel Alvaredo arbeitet seit Jahren im "Turm" - in der Zentrale eines namenlosen, multinationalen Konzerns, der alles von der Tütensuppe bis zur Panzerfaust produziert. Ihre Aufgabe ist es, potentielle neue Mitarbeiter zu interviewen und den Kollegen im Personalbüro die richtigen Bewerber für die freien Stellen zu empfehlen. Isabel liebt ihre Aufgabe, nicht umsonst macht sie diesen Job schon seit Jahren und hat schon einige Beförderungen ausgeschlagen. In der Welt der Bürotürme sagt das Stockwerk, in dem ein Mitarbeiter tätig ist, alles über seine Position aus: je höher die Etage, desto wichtiger die Stelle. Isabel sitzt seit Jahren im zwölften Stock - nicht schlecht, aber da ist noch jede Menge Luft nach oben.
Isabels Leben bekommt einen Knacks, als sich die Merkwürdigkeiten im Turm häufen: Ihr Chef hatte einen Autounfall und liegt angeblich in einer französischen Spezialklinik. Er wird sofort ersetzt, als wäre schon klar, dass er nicht wieder kommt. Auch seine Sekretärin wird beurlaubt. Von einem Tag zum anderen werden schärfste Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die Mitarbeiter dürfen nur noch die Stockwerke betreten, die unterhalb ihres Arbeitsplatzes liegen - die höheren Etagen sind tabu.
Was geht dort oben vor? Was will der Vorstand vor der Belegschaft geheim halten?

"Wenn die Lösung nicht im Bereich des Rationalen zu finden ist, bleibt nur noch das Absurde."
Dieser Satz stammt von Seite 14, aber er könnte auch gut und gerne der Untertitel dieses Buches sein. Was wie ein ganz normaler Roman mit alltäglichen Situationen beginnt - zwei Verliebte haben ein Date, Isabel beendet einen ganz normalen Arbeitstag und fährt nach Hause -, verwandelt sich in kürzester Zeit in einen mitreißenden, spannenden Plot, der den Leser von Seite zu Seite hasten lässt. Enrique Cortés baut über weite Strecken Spannung auf, ständig stellen sich neue Fragen und ehe man es sich versieht, legt man sich schon die wildesten Theorien über die Vorfälle im Turm zurecht. Mich hat der Autor voll und ganz gefesselt und ich konnte kaum den Feierabend abwarten, um mich endlich wieder in das Buch vertiefen zu können.

Auch die Charaktere konnten mich begeistern. Sie sind alle unterschiedlich und teilweise schwer einzuschätzen. Viele lernt der Leser recht gut kennen, andere spielen nur Nebenrollen, aber alle sind einzigartig, ich möchte fast sagen charismatisch, und bleiben einem nach der Einführung sofort im Gedächtnis. Als Leser sieht man alles aus Isabels Blickwinkel, man vertraut, beziehungsweise misstraut automatisch denselben Personen wie sie.

Das Unternehmen, für das Isabel arbeitet, wirkt zu Anfang ganz normal, erst mit der Zeit bekommt man einen Einblick in die verschiedenen Tätigkeitsfelder der Firma und plötzlich macht das alles einen recht dubiosen Eindruck.
Hier bringt der Autor auch eine zweite Ebene neben all dem Nervenkitzel ein, er wirft interessante Fragen auf. Jeder von uns muss sich seinen Lebensunterhalt verdienen, das ist unbestritten. Aber wie weit geht man dafür? Ist es in Ordnung, für ein Unternehmen zu arbeiten, das in Entwicklungsländern Textilien von Kindern in Zwölf-Stunden-Schichten produzieren lässt? Oder für eine Firma, die Waffen in Krisenregionen liefert? Oder eine, die den Urwald zerstört? Natürlich trägt das einzelne Rädchen im Getriebe keine Verantwortung für derlei Machenschaften des Managements. Oder vielleicht doch? Macht sich der einzelne Mitarbeiter schuldig an der Ausbeutung kleiner Kinder und der Natur?
Das hat mir sehr gut gefallen, dadurch wirkt das Buch noch eine ganze Weile nach.

Es gibt aber natürlich auch etwas zu meckern: Das große Finale war zwar sehr spannend und auch gut vorbereitet, aber die Helden konnten sich doch aus arg vielen ausweglosen Situationen wieder heraus lavieren. Das war mir persönlich dann etwas zu viel des Guten. Und mir hat auch nicht ganz so gut gefallen, wie das Blatt am Ende gewendet wurde. Darauf kann ich aber leider nicht näher eingehen, ohne zu viel zu verraten, deswegen lasse ich es einfach mal so stehen.
Zu diesen beiden Kritikpunkten möchte ich aber noch sagen, dass sie das Lesevergnügen nicht ernsthaft getrübt haben, vor allem da mein zweiter Kritikpunkt auch noch sehr viel mit dem persönlichen Geschmack und der Einstellung des einzelnen Lesers zu tun hat. Deswegen habe ich auch nur einen halben Stern abgezogen.

"Der 26. Stock" wird vom DTV als Mystery-Thriller vermarktet und das trifft es auch sehr gut. Für Horror ist das Buch zu unblutig, und für einen reinen Thriller hat es definitiv zu viele übersinnliche, übernatürliche Elemente. Wer sich also immer eine greifbare Auflösung wünscht, wird mit diesem Buch vermutlich nicht glücklich werden. Wer sich aber auf das Mysteriöse einlassen kann, bekommt hier definitiv einen spannenden Pageturner, der zusätzlich auch noch aktuelle, brisante Themen und Fragen aufgreift.
 


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