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Orson Scott Card

Enders Spiel

  • Autor:Orson Scott Card
  • Titel: Enders Spiel
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Heyne Verlag
  • Datum:10 Dezember 2012
  • Preis:8,99 EUR

 
»Enders Spiel« von Orson Scott Card


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(5)

 
 
Andrew “Ender“ Wiggin ist ein Drittling, dass dritte Kind einer Familie; zu einer Zeit, in der es verpönt ist, mehr als zwei Kinder zu haben. Das macht Ender zu einem Außenseiter, sowohl zu Hause bei seinem älteren Bruder Peter, wie auch in der Schule. Aber es hat einen ganz bestimmten Grund warum die Familie Wiggin, mit dem Segen des Staates, ein drittes Kind bekommen durfte. Die Menschheit befindet sich im Krieg mit einer außerirdischen Rasse, den Krabblern. Nachdem man zwei Invasionsversuche der Krabbler überlebt hat, befürchtet man, einem dritten Versuch, der mit der völligen Ausrottung der Menschheit enden könnte, nicht mehr gewachsen zu sein. Zu übermächtig sind die militärischen Ressourcen der Krabbler.

Einzige Hoffnung ist, dass man einen zweiten Mazer Rackham findet, ein unvergleichliches taktisches und militärisches Genie, dem es zu verdanken ist, dass die zweite Invasion der Krabbler nicht nur fehlschlug, sondern auch in einem überragenden Sieg der Erdstreitkräfte endete. Also hält man nach Jungen und Mädchen Ausschau, welche schon in ihrer Kindheit nicht alltägliche Fähigkeiten und eine enorme Intelligenz an den Tag legen, kurzum nach Genies. Eines dieser Genies hätte Enders älterer Bruder Peter sein können, aber dieser erwies sich als zu aggressiv und gewissenlos, daraufhin lag die Hoffnung auf Enders Schwester Valentine, aber diese erwies sich als zu friedfertig und sanftmütig. Also gestattete man der Familie Wiggin ein drittes Kind zu bekommen, in der Hoffnung, dieses würde die besten Eigenschaften seiner beiden älteren Geschwister in sich vereinen. Und, in der Tat, entpuppt sich Ender als derjenige, der von allen menschlichen Kindern am ehesten in der Lage ist, in die Fußstapfen eines Mazer Rackham zu treten und die Menschheit zu retten. Als sechsjähriger wird Ender zur militärischen, taktischen und schulischen Ausbildung ins Weltall auf eine Raumstation geschickt. Ohne das er es selber weiß, liegt nun die gesamte Hoffnung der Menschheit auf seinen kindlichen Schultern.

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Himmel noch mal, mussten wirklich so viele Jahre vergehen, bis ich mir endlich mal den Klassiker der SF schlechthin zu Gemüte führen konnte? Ich hatte mir immer wieder mal vorgenommen Enders Spiel (Original Enders’s Game) zu lesen, aber irgendwie ist dann nie etwas draus geworden. Ein Versäumnis, dass ich nun endlich nachholen konnte. Das Buch erwies sich als erstklassiger, nachdenklicher, unterhaltsamer und auch völlig zu Recht hochdekorierter Roman. 1985 gewann Orson Scott Card für Enders Spiel den Nebula Award, im darauffolgenden Jahr noch zusätzlich den Hugo Award. Eine reife Leistung und auch völlig zurecht. Auch der direkte Nachfolger des vorliegenden Buches Sprecher für die Toten (Original Speaker for the dead) konnte dieses Kunststück ein Jahr später ebenfalls wiederholen. Kein Wunder also, dass die Filmstudios in Hollywood auf das Buch aufmerksam geworden sind und sich des Themas angenommen haben. Für Ende des Jahres hat der Constantin Film Verleih den Film angekündigt, in den Hauptrollen Asa Butterfield, Ben Kingsley, Harrison Ford und andere. Die ersten Bilder machen schon mal einen sehr guten Eindruck.

Der Protagonist des Buches Andrew Wiggin, genannt Ender, ist schon ein bemerkenswerter Junge. Sehr sympathisch und emotionell noch hin und hergerissen zwischen Sanftmut und Aggressivität. Von seiner Art her eher introvertiert, muss er schnell erkennen, dass das Leben für einen Dritt kein Zuckerschlecken ist, dass man kämpfen und sich behaupten muss, will man überleben. Hier tritt für mich aber auch die erste (und vermutlich auch einzige) Schwäche des Buches auf. Ender wirkt für mich zu keiner Zeit wie ein Sechsjähriger, er kommt einfach zu jugendlich, fast schon erwachsen, in seiner Art herüber. Er wägt ab, schlussfolgert und zieht Konsequenzen, die ein Kind in dem Alter eigentlich nicht ziehen dürfte, auch nicht, wenn es ein Genie ist. Denn ein kindliches Genie zeichnet sich in dem Alter eher dadurch aus, dass es vielleicht perfekt lesen, schreiben, rechnen und ein großes Wissen an den Tag legen kann, aber nicht dadurch, dass es in seinem Charakter, seinem Wesen schon so weit entwickelt ist, um das zu schaffen, was Ender schafft. So etwas kann sich in sechs Jahren einfach noch nicht formen, dazu fehlt die Erfahrung und die Lebensweisheit. Bleibt noch die Frage, warum der Held des Buches erst sechs Jahre alt ist, warum Card keinen sechzehn oder achtzehn Jahre alten Jugendlichen kreiert hat. Da kommt mir eigentlich nur eine Antwort in den Sinn. Die Ungeheuerlichkeit der Tat des Militärs Ender gegenüber, ist umso erschütternder und schockierender, je jünger der Protagonist ist, die Folgen für ein Kind um vieles mehr unfassbarer wie es vielleicht für einen Jugendlichen oder Erwachsenen gewesen wäre. Vielleicht hätte aber auch ein achtzehnjähriger die Manipulationen des Militärs früher als Ender durchschaut und wäre daher nicht mehr so leicht manipulierbar gewesen. Der Reiz des Buches liegt also auch, oder gerade deshalb, in dem Alter des Protagonisten, zumindest für mich.

Das Buch erweist sich nicht nur als ein zutiefst psychologischer Roman, sondern wirft auch die Frage nach dem Militär an sich auf. Ist es wirklich notwendig einen kompletten Völkermord, einen Genozid, zu begehen, eine intelligente Spezies vollkommen auszurotten? Und was ist mit der Ausbildung beim Militär? Müssen Menschen wirklich erst gebrochen werden, bevor man “gute“ Soldaten aus ihnen machen kann? Auf den finalen Kampf gegen die Krabbler liegt das Hauptaugenmerk des Militärs, die Frage, ob eine friedliche Beendigung und damit eine Koexistenz beider Rassen möglich ist, wird zu keiner Zeit im Buch aufgeworfen. Das Militär tut das, wozu es da ist. Zu kämpfen und zu töten. Eigentlich sehr schade, dass Ender sich nicht auch einmal Gedanken über einer friedlichen Lösung des Konflikts macht, schließlich ist er doch nicht nur ein militärisches Genie, sondern vielmehr auch ein sozial und human eingestellter Junge. Er liebt die Friedfertigkeit (fast) über alles und kämpft nur dann, wenn es unausweichlich ist, nur um danach wieder in Gewissenskonflikte und Grübeleien zu verfallen ob der Brutalität mit der er vorgegangen ist.

Das Alter des Buches erkennt man daran, dass die Welt noch in Ost und West unterteilt ist, der Warschauer Pakt noch der große Gegenspieler der sogenannten freien Welt ist. Der Frieden zwischen den Weltmächten ist brüchig und wird nur durch die allgegenwärtige Bedrohung durch die Krabbler aufrechterhalten. Wieviel dieser Frieden wirklich wert ist, zeigt sich erst nach dem Wegall der äußeren Bedrohung - nämlich gar nichts. Etwas visionärer wird Card jedoch bei der Schilderung des Internets. Im Buch einfach nur Netz genannt, zeigt er wie wichtig, manipulativ und weltumspannend so ein Netz sein kann. Jahre bevor überhaupt das, was wir heute als Internet kennen, abzusehen war (denn Enders Spiel ist aus dem Jahr 1985), zeigt Card bereits seine zukünftige Bedeutung auf.

Irgendjemand hat das Buch mal als zum heulen schön bezeichnet. Eine Äußerung, die ich durchaus nachvollziehen kann. Enders Schicksal lässt mich als Leser nicht kalt, seine Leiden sind ein Stück weit auch meine Leiden, seine Ängste meine Ängste und seine Hoffnungen auch meine Hoffnungen. Obwohl das Buch in der Zukunft spielt und Ender ein Genie ist, so ist es doch nicht weltfremd oder abgehoben. Ender durchlebt die Probleme, die viele Kinder auch heute durchleben - der Umgang mit Gleichaltrigen (die einem nicht immer wohlgesonnen sind), Erwachsenen oder den schulischen Einrichtungen. Vielleicht kann dieses Buch uns Erwachsenen sogar dabei helfen, ihre Sicht der Dinge besser zu verstehen und verständnisvoller damit umzugehen.

Auch wenn sich in Enders Spiel alles um den finalen Kampf und das Militär dreht, so schließt es doch mit einem wunderschönen Ende. Einem Ende, das von Versöhnung und Hoffnung geprägt ist - nach dem Genozid, der sich eigentlich nicht als komplett vollzogen darstellt. Das für mich eigentlich tragische ist nicht die (fast) Ausrottung der Krabbler, sondern vielmehr das, was Ender bei seiner Pilgerreise auf der Suche nach Vergebung findet. Eine Hinterlassenschaft und die Feststellung, dass ein Neuanfang möglich ist. Das die Krabbler den Kampf gar nicht wollten, das man den Irrtum begriff und die Menschheit um Verzeihung bat, aber nicht dazu imstande war, dies auch so zu artikulieren. Der griechische Philosophen Heraklit sagte um 500 v. C. “Der Krieg ist der Vater aller Dinge“. Ich meine, er ist einfach nur der Anfang vom Ende.
 
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    2013-04-22
    Stimme mit Dir darin überein, dass das ein großartiges Buch ist. Heute im Kino ist mir das Kinoposter zu Enders Game aufgefallen - war mir gar nicht klar, dass das verfilmt wird.


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