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Cline, Leonard

Die dunkle Kammer

  • Autor:Cline, Leonard
  • Titel: Die dunkle Kammer
  • Serie:
  • Genre:Fantasy
  • Einband:Paperback
  • Verlag:Festa
  • Datum:00 -
  • Preis:12.97 EUR

 
»Die dunkle Kammer« von Cline, Leonard


Besprochen von:
 
Markus M. Korb
Deine Wertung:
(4)

 
 
Frank Festas Verlag hat sich in kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Eckpfeiler der phantastischen Literatur in Deutschland entwickelt. Neben der wegweisenden Edition Metzengerstein und den vorbildlichen Lovecraft Bänden erscheint nun eine neue Reihe – „Die bizarre Bibliothek“.

Hier sollen ausgewählte Werke der Phantastik veröffentlicht werden, die ansonsten der Vergessenheit anheim gefallen wären. Den Anfang macht ein Roman, der durch eine Erwähnung Lovecrafts die Zeiten überdauert hat: „Die dunkle Kammer“ von Leonard Cline.

Leonard Clines Roman, der eigentlich eher Novellencharakter besitzt, entstand im Umfeld der Fin de Siécle Literatur. Ende des 19ten Jahrhunderts erschienen eine Reihe von Autoren auf der literarischen Bühne, die sich direkt auf den zu dieser Zeit unbekannten oder durch üble Nachrede in Verruf gebrachten Edgar Allan Poe beriefen. Zu ihnen gehört auch der französische Dekadenzliterat Charles Baudelaire, sowie der englische Dandy Oscar Wilde.

Ein Thema der Dekadenzliteratur ist die Vergänglichkeit der Schönheit, sowie das Altern des Menschen schlechthin. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch Leonard Clines Roman „Die dunkle Kammer“. Ein alternder Dandy möchte mit Hilfe eines bemerkenswerten Gedächtnisexperiments jeglichen Moment seiner Vergangenheit lebendig werden lassen. Das gelingt ihm mit Hilfe von ungezählten Dokumenten, die er in einem Archivgebäude im Wald sammelt. Der eigentliche Schauplatz der Handlung ist ein Herrenhaus, das von Cline in künstlerisch herausragender Weise geschildert wird. Die anwesenden Familienmitglieder des dekadenten Dandys sind ebenso Individuen, die am Rande des Wahnsinns entlang taumeln. In diese „Familienidylle“ der negativsten Sorte wird ein Musiker beordert, der den Dandy bei seinem Lebensexperiment behilflich sein soll. Aus der Melange der verschiedenen Hausbewohner ergibt sich eine gefährliche Mischung, die alle in Richtung Wahnsinn und Tod treibt.

Cline vermischt in seinem Roman die typischen Themen der Dekadenzliteratur mit denen des gotischen Schauerromans. Er erzielt damit eine unheimliche Wirkung, die noch durch die Atmosphäre des geschilderten Hauses verstärkt wird. Hier ahnt man Poe mit seinem „Haus Usher“ – viele Motivgleichheiten scheinen durch: das Haus, dessen zunehmend verwildert werdender Zustand die Seelenverfassungen seiner Bewohner spiegelt; ein exzentrischer Hausherr – unglaublich gebildet und doch fanatisch in seinen Bestrebungen. Das alles wird exzellent und mit viel Sprachgefühl beschrieben, wobei die Übersetzung ein besonderes Lob verdient.

Einen Wehmutstropfen gibt es doch. Im Laufe der Handlung verliert sich Cline in der kunstvollen Schilderung der wechselnden Beziehungen der Hausbewohner. Die Entwicklungen werden zwar durchaus nachvollziehbar gezeigt, doch wird dadurch die Novelle im Mittelteil mehr zu einem Entwicklungsroman – die Spannung fällt merklich ab. Das eigentliche Experiment hingegen, das sich nachher abzeichnet, ist dermaßen faszinierend geschildert, dass man sich wünscht, Cline möge noch mehr ins Detail gehen. Raum für Spekulationen bliebe zuhauf – vielleicht nimmt sich ein anderer Autor dieser Ideen mal an?

Auch mit Abzug dieses Punktes bleibt der Roman eine sprachliche Glanzleistung und hat es mehr als verdient, seine späte Würdigung zu erfahren.

Meine Wertung: 8 von 10 Sternen.
 


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