Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 18:49

@Minkey
In diesem Sinne…
Es ist eben schwer über so etwas zu reden, weil es eigentlich kein Wort dafür gibt. Was für mich symptomatisch dafür ist, dass ein Zweig der Literatur, der eigentlich nur ein Genre ist den Universalvertretungsanspruch und damit den Begriff usurpiert und alles andere als trivial ausgrenzt. Nicht unser Fehler. Das hat schon die Literaturkritik fleißig zementiert.

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 20:29

@Horus: Es stimmt schon, ich verwende den Begriff Literatur wirklich komplett falsch. Für mich ist das so selbstverständlich, dass ich damit nicht ein Genre (die Feuilleton-Literatur, wie Du so treffend sagst) meine, sondern eben genau die Ausnutzung dieser zusätzlichen Möglichkeiten.
Diese ist natürlich nicht nur auf das geschriebene Wort begrenzt, sondern findet sich genauso in anderen Medien wieder. Und wenn ich z.B. von bestimmten Folgen von Buffy schwärme, dann genau deswegen, weil innerhalb eines Genres, wo man es nicht erwartet (Teenie-Horror-Serie) äußerst geschickt mit genau diesen Möglichkeiten umgegangen wird. In der Feuilleton-Literatur hingegen mag das auch der Fall sein, aber ich schlafe ein, bevor ich es bemerke, wenn Du verstehst, was ich meine.
Das Einzugrenzen auf das Feuilleton-Gerne ist für mich so abwegig, dass ich mich schon mal falsch ausdrücke... ;)

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 21:11

theDude hat geschrieben:Dass Aurics "Soldaten" Kinder sind liegt nunmal daran, dass er selbst noch ein Kind ist.
Ja und das ist eben kein Zufall. Es ist ein wiederkehrendes Thema im Fantasygenre.
Und es ändert nichts daran, dass Kinder zur Schlachtbank zu führen, alles andere als eine Heldentat ist, es ist die Pervertierung einer Heldentat.
theDude hat geschrieben:Darum darf man ihn in meinen Augen nicht als Brutalo sehen, der Kinder zur Schlachtbank führt. Er ist vielmehr ein herausragender Taktiker, der mit List und Intellekt mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Schlacht wendet. Dabei kämpft er an vorderster Front mit. Er lässt keine Sklaven vorne sterben, während er hinten gemütlich Tee trinkt.
Insofern erfüllt er immer noch alle Anforderungen, die ein klassischer Held erfüllen muss.
Er vereint beides in sich, er verhält sich genau, wie sich Helden in Fantasybüchern verhalten. Aber er wendet eine Schlacht, in der es um nichts geht. Er hat stattdessen die Option, die Kinder vom Schlachtfeld wegzuführen.
Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Kinder auf das Schlachtfeld zu führen, weil er genau genommen die Erwartungen des Lesers erfüllen muss. Er führt dem Leser diese Erwartungen im Grunde genommen vor.
Hast Du jemals in einem Fantasybuch eine Szene gelesen, wie die, in der aufgeführt wird, wie die Kinder gestorben sind? Das ist doch so stark abgesetzt kein Zufall.

Hauptkonflikt von Auric ist, nicht wie sein Vater zu werden, sondern wie seine Mutter. Er *ist* aber beides und wird immer stärker zur Seite seines Vaters gezogen, obwohl er nur in Richtung seiner Mutter unterwegs ist. In Richtung seines Vaters wird er gedrückt, wegen der Erwartungen, die an ihn gestellt werden. Weil er ein Barbar ist. Weil auch der Leser ein Barbar ist. Und weil der Leser lesen möchte, wie ein Barbar kämpft.
theDude hat geschrieben:Yap, man weiss nicht, worum es geht. Allerdings wird zeitgleich mit diesem Fakt erwähnt, dass man dies eigentlich in keiner Schlacht, die Skrimaren führen, weiss. Ich sehe nicht viel mehr in dieser Aussage als ein weiterer Mosaikstein, der zeigen soll, aus welch barbarischem Umfeld Auric eigentlich kommt.
Ich sehe darin eine Aussage zu Kriegen/Schlachten allgemein. In der Fantasy geht es bei Schlachten darum, dass das Gute das Böse besiegt. Ehre, Helden, blablabla.
In Ninragon geht es in dieser Schlacht nur um eins: Zu Überleben.
Kriege/Schlachten sind damit das, was sie wirklich sind: Ein sinnloses Grauen.
Es dient natürlich zusätzlich dazu, deutlich zu machen, dass der Tod der Kinder sinnlos ist. Schlimmer gehts nimmer.
theDude hat geschrieben: Die Parallele zu "gehobenem" Fantasy / "normalem" Fantasy ist sicher legitim, allerdings nicht überall 100%ig schlüssig. (eben beispielsweise die ungezähmte Rohheit vom Vater) Dies kann man, wenn man möchte, darauf schieben, dass schliesslich eine lesbare Geschichte entstehen musste. Vlt. gings ja auch nur darum, eine zwiespältige Figur aufzubauen. Das kann aber eigentlich nur Horus beurteilen ;)
Der Schlüssel hierzu liegt denke ich in Horus Frage, ob Virri nicht auch der Vater von Auric sein könnte. Ich denke noch darüber nach.
Ich hatte heute schon eine völlig schlüssige Erklärung genau zu dieser Frage, aber im Moment ist sie wieder weg. ;)
theDude hat geschrieben: Für mich hat Auric nur ein Ziel, nämlich aus seinem Barbarendasein ausbrechen. Von Anfang an hat er die traditionelle Lebensweise verachtet. Die Einflüsse und Erwartungen seines Stammes und seines Vaters sind kein Weg im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr Hindernisse, die ihm in seinen Weg gelegt werden. Hier gibt es quasi strikt ein Gut und ein Böse. Auric kämpft gegen das Böse, indem er ausbricht. Indem er gegen Vorurteile antritt und trotz aller Widrigkeiten doch zu den Ninrae findet.
Vereinfacht gesehen: Ja. Auf der Metaebene sind es letztendlich die Erwartungen des Lesers, die durch die vorherrschende Fantasyliteratur geprägt sind. Aus diesen versucht Auric auszubrechen, scheitert aber immer wieder an den Erwartungen, die an ihn gestellt werden.
theDude hat geschrieben:Der einzige "Ausrutscher" ist das Erschlagen seines Vaters. Dies ist bisher die einzige Handlung, die wirklich emotional motiviert und im Affekt ausgeführt wurde.
Es ist kein Ausrutscher, genau hier wird das Zitat des Vaters aufgegriffen und gedreht: 'Jetzt bekommst Du den Sohn, den Du verdienst.' Es ist die unausweichliche Konsequenz, die endgültige Abkehr/Ablösung von seinem Vater. Das Perverse ist, genau dadurch, dass Auric seinen Vater erschlägt, macht er den größten Schritt, genauso zu werden.
theDude hat geschrieben:Momentan bin ich bei den Ninrae, die mit den Schichten rumspielen, am Ende der ersten Hälfte des ersten Bandes. Seit ich wirklich darüber nachdenke, was ich lese, ist das Tempo um einiges zurückgegangen^^
Es gibt aus meiner Sicht keinen wirklichen Grund das Tempo zu drosseln. Auric ist dazu gedacht als Unterhaltung gelesen zu werden. Das ganze Nachdenken findet sozusagen zusätzlich parallel statt. Ich glaube auch nicht, dass jede Szene eine tiefgreifende Bedeutung hat. Zumindest habe ich bei einigen keine gesehen. Aber Szenen, wie die Vater/Sohn/Axt-Szene sind natürlich von zentraler Bedeutung, sie wird ja auch an vielen Stellen wieder aufgegriffen. Ich habe noch andere erkannt und über den Schluss werden wir noch viel zu reden haben. Aber dazwischen gibt es (glaube ich) auch einiges, was einfach spannende Szenen sind. Mag aber sein, dass ich auch einiges nicht verstanden/gesehen habe. Aber das macht so 'ne Diskussion ja gerade so interessant.

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 21:22

Okay, ein Internet-Ausfall hat gerade einen kompletten langen Post gefressen, an dem ich anderhalb Stunden geschrieben habe und indem ich erkläre, warum Ninragon innerhalb der Fantasy nicht so außergewöhnlich ist, nicht vom Anspruch, nicht von den Topoi. Dann soll es eben so sein. Kurz: Ich sehe mich ganz und gar noicht so fern des Mainstreams, denn der Mainstream hat sich gewandelt und ich finde den Anfang ganz und gar nicht fordernd und schwierig, und die Reaktionen vieler Leser scheinen mir das auch zu spiegeln. Er spalte eben die Leserschaft. Ich glaube, das hat mit der entsprechenden Vorgeschichte des Lesers und der Erwartungshaltung zu tun.

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 21:25

minkey hat geschrieben:@Horus: In der Feuilleton-Literatur hingegen mag das auch der Fall sein, aber ich schlafe ein, bevor ich es bemerke, wenn Du verstehst, was ich meine.
Das Einzugrenzen auf das Feuilleton-Gerne ist für mich so abwegig, dass ich mich schon mal falsch ausdrücke... ;)
Dito. Deshalb ist für mich die einzige mögliche Haltung, die Unterhaltung in den Vordergrund zu setzen.
Und in diesem Kontext können wir uns in Ermangelung eines anderen Begriffs getrost auf "Literatur" einigen. Damit weiß ich was du meinst und stimme dir zu.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 21:32

Horus W. Odenthal hat geschrieben:Okay, ein Internet-Ausfall hat gerade einen kompletten langen Post gefressen, an dem ich anderhalb Stunden geschrieben habe und indem ich erkläre, warum Ninragon innerhalb der Fantasy nicht so außergewöhnlich ist, nicht vom Anspruch, nicht von den Topoi.
Tja, das Internet gibt Dir da wohl nicht Recht.

Aber da mich der Post interessiert hätte: Hast Du es schon mit dem Back-Button versucht? Vielleicht ist er noch im Cache. EInfach immer wieder auf Zurück klicken, bis er auftaucht oder auch nicht.
Geht natürlich nur, wenn Du den Browser nicht zwischendurch geschlossen hast.

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 21:33

Zum Helden-Thema:
Ein Held ist jemand, der den Mut findet, das Richtige zu tun. Für Auric gibt es aber in dieser Situation nicht das Richtige. Alles, was er machen könnte ist falsch. Er hat letztendlich gar nicht die Chance zum Helden zu werden.

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 21:39

Nö, Back-Button hat nicht funktioniert. Da war nichts mehr. Dafür habe ich jetzt die gesamte Fantasy-Literatur in Zitaten bemüht und habe außerdem meine ersten Seiten parallel dazu auseinander genommen. Wie sagt Giébra: Ich habe es einmal getan; ich werde es wieder tun können. Aber vielleicht nicht zu diesem Thema.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Hexodus » So 28. Okt 2012, 22:59

Nach sage und schreibe fünf Seiten voller Beiträge komme ich nicht umhin, ein leises WOW von mir zu geben. Das ist eine ganz schön tiefgründige Leserunde, die hier geführt wird und das lässt mich selber fragen, ob das hohe Niveau der Diskussion den Druchschnitts-Fantasy-Konsumenten abschrecken, oder eher doch neugierig machen und letztendlich zur Lektüre führen wird. Persönlich freue ich mich mit euch über Ninragon austauschen zu dürfen. Die Qualitäten der Serie werde ich auf keinen Fall in Abrede stellen. Was Horus sicherlich nicht ahnt, ist die Tatsache, dass ich Ninragon Band1 bereits verschlungen habe und diese Lektüre mich zu einem Propheten seiner Worte gemacht hat. Ich werde mich demnächst noch zum Wort melden und den einen oder anderen Aspekt mit euch diskutieren. Achso, herzlich willkommen im Forum ;)

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 23:04

@horus: mannmannmann. das waere wahrscheinlich der interessanteste post der ganzen runde geworden.
ich schreibe wieder mit dem nook, weil ich jetzt neben 'nem kotzenden kind wache. jedem sein kreuz ;)

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