Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

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minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 11:55

theDude hat geschrieben:
Fantasy erschlägt Literatur, Auric erschlägt die Erwartungen, die Fantasy an den Leser setzt, indem er den Jungtrupp als Opfer auf das Schlachtfeld führt, in dem Wissen, dass er sie als Opfer einsetzt und ihre Überlebenschance bei Null liegt. Handelt so ein Held?
Auf jeden Fall!
Der grosse Unterschied liegt darin, dass Auric ausschliesslich Freiwillige "opferte" und sich mit einbezog. Als Beispiel kannst du Leonidas nehmen. Er schnappt sich ein paar Soldaten (nicht mal Freiwillige?) und lässt damit die Perser bei den Thermopylen bluten. Obwohl er weiss, wie aussichtslos sein Unterfangen ist, kämpft er, um den Rückzug und Neuaufstellung seiner Verbündeten zu decken. Er opfert sich und seinen Trupp für einen höheren Sieg. Dadurch wird er zu einem Mythos, zu einem Kriegshelden, von dem man bis heute in den Kinos hört.
Genauso macht es Auric. Er opfert seinen Jungtrupp und bringt sich selbst in Gefahr, um die Schlacht gegen eine Übermacht zu wenden. Genauso handelt ein Held.
Deine Begründung sieht auf dem ersten Blick sehr schlüssig aus, Du machst aber aus meiner Sicht einen entscheidenden Denkfehler: Bei Deinem Beispiel schnappt Leonidas sich Soldaten. Das sind definitiv Freiwillige, sie wurden Soldaten, um zu kämpfen, sie wurden Soldaten, weil sie diesen Beruf ergriffen, in dem Wissen, dass es genau zu dieser Situation kommen kann.
Beim Jungtrupp von Auric hingegen handelt es sich um Kinder. Sie haben sich nie entschieden Soldaten zu werden, sondern sie werden durch die Gegebenheiten dazu gezwungen. Man kann Kindern die Entscheidung sich für eine solche Aktion freiwillig zu melden auch gar nicht abverlangen. Letztendlich manipuliert Auric sie. (Ich weiß natürlich gemeinerweise auch mehr als Du...)
theDude hat geschrieben:Als Gegenbeispiel: Dschingis Khan, der unbewaffnete Sklaven vor seinem Trupp hertreiben lässt, damit diese gegnerische Pfeile fangen, während er sicher hinten bei seinen Haupttruppen steht. So handelt kein Held.
Eben kein Gegenbeispiel. Genau betrachtet sind die Jungtruppen genau diese Sklaven. Sie wissen nur nicht, dass sie Sklaven sind. Das macht die Situation nicht heldenhafter.
theDude hat geschrieben:
Der Besserwisser bei Auric ist sein Vater, dieser möchte seinen Weg vorzeichen: Werde der Sohn, den ich verdiene.
Im Gegenteil, sein Vater ist der Gegenpol, die Schlange, welche Auric zum Bösen verleiten möchte.
Mit Besserwisser meinte ich sowas wie Gandalf in Herr der Ringe. Frodo (das Prophezeiungskind) bewundert ihn und vertraut ihm. Gandalf weiss immer, was man machen muss, er ist quasi die Inkarnation des Guten. Oder von mir aus Brom in Eragon.
Am ehesten kommt für den Besserwisser mMn Aurics Mutter in Frage. Für eine klassische Fantasyrolle ist sie aber viel zu unbedeutend und zu schwach.
Aurics Vater ist die Inkarnation des Bösen. Man kann ihn mit Loki in gewissen nordischen Mythen vergleichen, der das Prophezeiungskind vom rechten Weg abbringen möchte. Oder mit dem Imperator in StarWars, der will, dass Luke sich der dunklen Seite anschliesst. Eine Auflehnung gegen solch eine Figur ist nichts aussergewöhnliches.
Auch böse Vaterfiguren sind in der Literatur, selbst in Fantasy, nix neues.
Vater und Mutter sind beide schwach und überspitzt charakterisiert. Sie existieren nicht wirklich als eigenständige Personen, weil sie für etwas anderes stehen. Die Mutter ist tatsächlich noch schwächer als der Vater charakterisiert, ich glaube, sie erhält nicht einmal eine direkte Rede (müsste da jetzt nachlesen.) Dies ist auch notwendig, da die Mutter als eigenständiger Charakter glaubwürdiger und tragfähiger wäre als der Vater. Diese starke Unterscheidung in Gut/Böse ist ein klassisches Merkmal der Fantasy. Horus möchte sie nicht, deswegen vereint er gut und böse in Auric. Vater und Mutter sind die Ahnen von Auric, Ahnen eben auch im Sinne der Literatur, der Kombi Fantasy und Literatur. Hier gibt es natürlich ein paar Unschärfen, die durch die notwendige Konstruktion entstehen. So wird Horus sicherlich nicht das Fantasygenre grundsätzlich mit dem Vater als dumm, roh, versoffen charakterisieren wollen. Er will allerdings sicherlich das Fantasygerne, dass die Literatur entführt und vergewaltigt hat, dass völlig überzeichnet Gut und Böse darstellt, in dem Vater symbolisieren. Und so habe ich es auch verstanden.
theDude hat geschrieben:Auric hat von Anfang an einen klaren Weg, dem er folgen möchte. Dieser Weg hat er von seiner Mutter mitbekommen (Kultur, kein Schlächter etc.). Manchmal kommt er von seinem Weg ab, aber in seinem inneren hält er daran fest, in seinem inneren bleibt er einer der "Guten".
Er vereint 2 Wege in sich. Die der traditionellen Fantasy, die ihm der Vater und damit die Erwartung des Lesers auferlegt. Z.B. auf dem Schlachtfeld zu kämpfen und als Held wiederzukehren. Gleichzeitig den der Mutter, dies auf realistiische Weise zu tun und kein Blatt vor dem Mund zu nehmen, wenn er, wie die klassische Fantasy es immer wieder tut, Kinder auf das Schlachtfeld führt. Was naturgemäß dazu führen muss, dass diese abgeschlachtet werden. In dieser Szene wird er beiden Erwartungen gleichermassen gerecht.
theDude hat geschrieben:Was deine Interpretation mit dem Genrebruch angeht: Eigentlich stütz du alles auf die Aussage von Aurics Vater "Werde den Sohn, den ich verdiene". Ansonsten hat der Vater aber nichts mit klassischer Fantasy zu tun.
Aurics Vater ist extrem aufbrausend, blutgeil, so gut wie dauerbetrunken und eine extrem starke Persönlichkeit.
- "Aufbrausend" passt überhaupt nicht zu dem Fantasy, das ich kenne. Meistens bewegt man sich doch in einer hübschen, heilen Welt, die von irgendetwas bösem bedroht wird.
- "Blutgeil" Naja, Ninragon ist um einiges blutiger.
- "dauerbetrunken" Eine weitere Eigenschaft, die nicht in die heile Welt der herkömmlichen Fantasy passt.
Die klassische Fantasy ist blutgeil. Es reiht sich ein Schlachtfeld an das andere. Das Ninragon um einiges blutiger ist, liegt daran, dass Ninragon der klassischen Fantasy folgt, sie aber realistisch darstellt. Ein Schlachtfeld ist in der Realität viel blutiger, als in der klassischen Fantasy. Die klassische Fantasy ist in dieser Hinsicht gewaltverherrlichend, indem sie Schlachten schönt. Schlachten dienen dazu, Kinder als Helden zu gebären. Hier hingegen passiert auf Schlachtfeldern dass, was tatsächlich auf ihnen passiert: Menschen werden geschlachtet.
theDude hat geschrieben:Aurics Vater ist viel zu roh, um schlüssig mit Fantasy assoziiert werden zu können.
Ihn losgelöst von seinen Eigenschaften zu sehen und auf eine Aussage zu reduzieren finde ich unzulässig.
Gerade weil Aurics Vater kaum eine Aussage macht, gewinnt die Aussage an Bedeutung. Zumal sie hervorgehoben wird und von Auric später wieder aufgegriffen wird. (Sie wird im Verlauf erneut aufgegriffen. Wie gesagt, ich habe einen Infovorsprung. Das ist natürlich gemein...) Damit hat sie eine zentrale Bedeutung.
theDude hat geschrieben:Die einzige, für mich sinnige Parallele wäre: Auric bricht mit der Tradition, ebenso wie Ninragon mit Fantasy-Tradition bricht (fehlende Besserwisser, Sprache als Stilmittel, älteres Zielpublikum, ...).
Dass Auric die ganze Zeit über bereits von diesem Bruch weiss, kannst du vlt. mit einem inneren Gefühl des Autors in Verbindung bringen, der, obwohl er offiziell ein Fantasybuch schreiben wollte, von Anfang an wusste, dass es kein klassisches "Kuschel"-Fantasybuch wird.
Ich hoffe, ich konnte Dir meinen Standpunkt verdeutlichen. Er wird aber auch mit dem Weiterlesen deutlicher werden.
theDude hat geschrieben:Aja, zu Virri:
Für mich steht er simpel als Gegenpol zu Auric.
Auric hat nicht nur eine innere Abneigung gegen die gesamte Gewalt, sondern eine ganze Kultur, die dahinter steht. Seine Abneigung kommt nicht aus Instinkten/schwachen Gefühlen wie bei Virri, sondern eher aus einer fast schon akademischen Auseinandersetzung mit der Problematik (durch die Bücher und seine gebildete, kultivierte Mutter). Auric kommt zum Schluss, dass er seine Gefühle zumindest teilweise überwinden muss, um sein Ziel zu erreichen. Er muss zumindest ab und an jemanden abstechen. Sein Verstand triumphiert über seine Gefühle.
Virri fehlt diese logische Komponente, er gibt seinem Gefühl nach und zieht dadurch Aufmerksamkeit auf sich. Er wird gebrochen und wird dadurch zu dem, was Auric unbedingt vermeiden wollte.
Er personifiziert all die Dinge, die Auric in sich selbst bekämpft.

Eigentlich legitimiert Virri dadurch alle blutigen Handlungen, die Auric später ausführt. Schliesslich muss Auric sich anpassen, wenn er nicht wie Virri enden möchte.
Er gibt Auric die Möglichkeit, "blutig" zu handeln und trotzdem ein edler Held zu bleiben.
Da muss ich erst mal drüber nachdenken... ;)

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 12:10

@Dude: Noch als Ergänzung: Lies noch mal die Vater/Sohn/Axt-Szene. Absolute Schlüsselszene. Auch der Valkyersring symbolisiert das Genre.

Und dann lies nochmal die Beschreibung der Tode der Kinder in der Schlacht. Die wirkt völlig unnötig und daneben, wie ein völliger Bruch, komplett abgesetzt und dadurch hervorgehoben.

Beides unterstützt meine Sicht.

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 12:36

Entgegen meiner vorherigen Ankündigung will ich doch etwas zu Virri sagen.
Ich möchte nur ein paar Fragen stellen und dabei betonen, dass gemäß dem, was ich schon vorher gesagt habe, meine Meinung genau so legitim ist, wie eure. In diesem Sinne bin ich nicht länger der Autor sondern nur ein Leser. Meine Chance Aussagen zu treffen hatte ich als ich das Buch geschrieben hatte; jetzt gehört es den Lesern. Die interpretatorische Lufthoheit habe ich aus der Hand gegeben.
Natürlich zeigt Virri als Beispiel auf, was mit allen passiert. Ist er nicht auch ein Exempel dafür, was mit Auric geschehen könnte, wenn auch auf einer höheren Ebene? Denn welcher Hass im Herzen treibt ihn zu seinen Mordtaten? Könnte das nicht der Selbsthass sein? Und zeigt das dann nicht die Falle, in die Auric auch jederzeit zu geraten in Gefahr ist? Gerade bei all seiner Intelligenz? Virri gerät ziemlich direkt in diesen Strudel. Aber ist es nicht egal auf welcher intellektuellen Ebene man in diese Falle gerät? Lauert sie nicht am Ende auf alle?
Und nur eine Frage, keine Theorie, keine Behauptung: Könnte Virri nicht auch Aurics Vater sein?
Eure Sichtweisen sind alle interessant und legitim. Lasst euch nicht von mir stören.

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 12:45

@Minkey Ich als ein weiterer Leser könnte eventuell deiner Interpretation folgen, wenn man das angebliche Gegensatzpaar Fantasy/Literatur ersetzt durch "schlichtgeratene Fantasy"/ "Fantasy, die ihr Potential nutzt". Fantasy ist per se Literatur; ich sehe da keinen Gegensatz. Alle Bücher sind Literatur; es gibt nur gute und schlechte Bücher. Von beidem gibt es reichlich in allen Genres und angeblichen "Nicht-Genres".

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 12:48

Ohne jetzt auf Horus Antworten einzugehen, da das Essen auf dem Tisch steht, eine Anmerkung die ich vergessen habe, aber wichtig ist:

Man weiss nicht, worum es in der Schlacht geht. Überhaupt nicht.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 13:58

Horus W. Odenthal hat geschrieben:@Minkey Ich als ein weiterer Leser könnte eventuell deiner Interpretation folgen, wenn man das angebliche Gegensatzpaar Fantasy/Literatur ersetzt durch "schlichtgeratene Fantasy"/ "Fantasy, die ihr Potential nutzt". Fantasy ist per se Literatur; ich sehe da keinen Gegensatz. Alle Bücher sind Literatur; es gibt nur gute und schlechte Bücher. Von beidem gibt es reichlich in allen Genres und angeblichen "Nicht-Genres".
Horus, Du magst versuchen Dich hier als Leser einzufügen, aber das funktioniert natürlich nicht, Du bist und bleibst der Autor.
Du formulierst Fragen zu Virri, aber sie sind suggestiv genug, um Deine Intention zu verdeutlichen. ;) (Nicht böse gemeint)

Deine Anmerkung bzgl. des Gegensatzes Fantasy/Literatur in "schlichtgeratene Fantasy" / "Fantasy, die ihr Potential nutzt" kann ich nicht komplett nachvollziehen. Meine Sicht ist, dass die Vereinigung der beiden Gegensätze erst zur "Fantasy, die ihr Potential nutzt" wird. In diesem Sinne kann dies nicht bereits Teil des Gegensatzpaares sein. Fantasy, die ihr Potenzial nutzt, ist Literatur, da sind wir uns einig. Fantasy, die ihr Potenzial nutzt, ist gleichzeitig auch Unterhaltung, da sind wir uns ebenfalls einig, vermute ich.

Fantasy, die ihr Potenzial nutzt ist eben die Symbiose aus Unterhaltung und Literatur. Unterhaltung im Fantasygenre magst Du dann mit 'schlichter Fantasy' gleichsetzen. Literatur im Fantasygenre wäre dann gewissermassen bereits 'Fantasy, die ihr Potenzial nutzt', zumindest wenn Du den unterhaltenden Faktor nicht ausblendest. Dieser kommt aber eben erst duch den 'Vater'-Anteil hinzu. Deswegen blende ich diesen Aspekt bei der Mutter aus. Sie hat in ihrer Charakterisierung nunmal auch gar nichts vom Vater, bildet den kompletten Gegensatz, in diesem Sinne, haben die beiden keine Gemeinsamkeit (außer Auric). Vater/Mutter stehen natürlich ohnehin für verschiedene Gegensatzpaare Körperliche Kraft/Mentale Kraft, Barbar/Ninra, usw. Das wesentliche bleibt doch, das Auric diese Eigenschaften in sich vereint.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 14:10

Horus W. Odenthal hat geschrieben:Virri gerät ziemlich direkt in diesen Strudel. Aber ist es nicht egal auf welcher intellektuellen Ebene man in diese Falle gerät? Lauert sie nicht am Ende auf alle?
Dies trifft im intellektuellen Sinn auf Auric zu, als er den Jungtrupp in die Schlacht führt. Nur Auric zerbricht nicht daran wie Virri. Zumindest nicht so offensichtlich.
Aber es ist natürlich ein wiederkehrendes Motiv, dass Auric nicht wie sein Vater werden möchte, es ist das, was er am Meisten ablehnt und hier geht er einen großen Schritt in die Richtung seines Vaters.
Horus W. Odenthal hat geschrieben:Und nur eine Frage, keine Theorie, keine Behauptung: Könnte Virri nicht auch Aurics Vater sein?
Eure Sichtweisen sind alle interessant und legitim. Lasst euch nicht von mir stören.
Über diese Frage muss ich noch nachdenken.

@Dude: By the way: wo liest Du eigentlich gerade in dem Buch?

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Horus W. Odenthal
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 15:13

Hi minkey,
ich weiß, dass wir schon einmal über dieses Wort Literatur und dessen Bedeutung diskutiert haben. Ich weiß auch, was du damit meinst, nämlich gute Literatur. Ich für mich kann das nicht so sehen. Nur das eine "Literatur" zu nennen, grenzt automatisch den Rest aus. Dies schafft automatisch als Gegensatz dazu die Genres. Das Gegensatzpaar Literatur und Genre. Damit werden Ghettos geschaffen und es wird entmutigt in diesen Ghettos irgendetwas Gutes schaffen zu wollen. Ich kann nur wiederholen: Es ist alles Literatur. Es gibt nur gute und schlechte Bücher. In allen Genres, auch in dem der "literarischen Literatur" oder wie immer man das nennen will. Ich sag immer gern augenzwinkernd "Feuilleton-Literatur dazu.
Wenn ich dazu komme, werde ich auch noch einmal etwas zu meiner Einschätzung des "Ninragon" in diesem Zusammenhang schreiben. Ich halte ihn nämlich nicht für so etwas Besonderes im Genre der Fantasy und das impliziert zu sehen bereitet mir schon etwas Unbehagen. "Ninragon" ist Literatur weil er geschriebenes Wort ist, und er ist Fantasy, weil er nun einmal diesem Genre angehört. Nicht mehr, nicht weniger. Ob er ein gutes oder schlechtes Buch in seinem Genre ist, liegt nicht an mir zu entscheiden.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 18:19

@horus: ich kann deine bedenken verstehen und habe mich sicherlich auch unscharf ausgedrueckt. ich gebe mir haeufig nicht genug muehe mit der praezision in erwartung das der diskussionspartner schon versteht, was ich meine. es geht mehr richtung der kombination vordergruendige actionstory, die genretypisch ist (vater) und dem was literatur ausmacht, meinetwegen mit dem zusatz gut, also dinge wie realismus, entwicklung, metaebenen, selbstreferenzierung, selbstreflexion usw. (mutter), dies schliesst eben auch die moeglichkeit ein, erstgenanntes zu kommentieren.

sorry fuer kleinschreibung und fehlende umlaute, tippe auf dem nook.

theDude
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von theDude » So 28. Okt 2012, 18:48

Deine Begründung sieht auf dem ersten Blick sehr schlüssig aus, Du machst aber aus meiner Sicht einen entscheidenden Denkfehler: Bei Deinem Beispiel schnappt Leonidas sich Soldaten. Das sind definitiv Freiwillige, sie wurden Soldaten, um zu kämpfen, sie wurden Soldaten, weil sie diesen Beruf ergriffen, in dem Wissen, dass es genau zu dieser Situation kommen kann.
Beim Jungtrupp von Auric hingegen handelt es sich um Kinder. Sie haben sich nie entschieden Soldaten zu werden, sondern sie werden durch die Gegebenheiten dazu gezwungen. Man kann Kindern die Entscheidung sich für eine solche Aktion freiwillig zu melden auch gar nicht abverlangen. Letztendlich manipuliert Auric sie. (Ich weiß natürlich gemeinerweise auch mehr als Du...)
Einverstanden. Dann lassen wir halt das Freiwillige weg.
Trotzdem kämpft Auric mit ihnen an vorderster Front. Jeder Heerführer manipuliert seine Soldaten. Das bekannteste Beispiel dafür wäre Aragorn im dritten HdR-Film.
Dass Aurics "Soldaten" Kinder sind liegt nunmal daran, dass er selbst noch ein Kind ist. Darum darf man ihn in meinen Augen nicht als Brutalo sehen, der Kinder zur Schlachtbank führt. Er ist vielmehr ein herausragender Taktiker, der mit List und Intellekt mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Schlacht wendet. Dabei kämpft er an vorderster Front mit. Er lässt keine Sklaven vorne sterben, während er hinten gemütlich Tee trinkt.
Insofern erfüllt er immer noch alle Anforderungen, die ein klassischer Held erfüllen muss.

Yap, man weiss nicht, worum es geht. Allerdings wird zeitgleich mit diesem Fakt erwähnt, dass man dies eigentlich in keiner Schlacht, die Skrimaren führen, weiss. Ich sehe nicht viel mehr in dieser Aussage als ein weiterer Mosaikstein, der zeigen soll, aus welch barbarischem Umfeld Auric eigentlich kommt.
Vater und Mutter sind beide schwach und überspitzt charakterisiert. Sie existieren nicht wirklich als eigenständige Personen, weil sie für etwas anderes stehen. Die Mutter ist tatsächlich noch schwächer als der Vater charakterisiert, ich glaube, sie erhält nicht einmal eine direkte Rede (müsste da jetzt nachlesen.) Dies ist auch notwendig, da die Mutter als eigenständiger Charakter glaubwürdiger und tragfähiger wäre als der Vater. Diese starke Unterscheidung in Gut/Böse ist ein klassisches Merkmal der Fantasy. Horus möchte sie nicht, deswegen vereint er gut und böse in Auric.
Sehr treffend, bis hier bin ich komplett einverstanden.

Letztendlich gehts doch in all diesen Szenen um den Gegensatz Barbarentum <-> Kultur.
Die Parallele zu "gehobenem" Fantasy / "normalem" Fantasy ist sicher legitim, allerdings nicht überall 100%ig schlüssig. (eben beispielsweise die ungezähmte Rohheit vom Vater) Dies kann man, wenn man möchte, darauf schieben, dass schliesslich eine lesbare Geschichte entstehen musste. Vlt. gings ja auch nur darum, eine zwiespältige Figur aufzubauen. Das kann aber eigentlich nur Horus beurteilen ;)
Er vereint 2 Wege in sich. Die der traditionellen Fantasy, die ihm der Vater und damit die Erwartung des Lesers auferlegt. Z.B. auf dem Schlachtfeld zu kämpfen und als Held wiederzukehren. Gleichzeitig den der Mutter, dies auf realistiische Weise zu tun und kein Blatt vor dem Mund zu nehmen, wenn er, wie die klassische Fantasy es immer wieder tut, Kinder auf das Schlachtfeld führt. Was naturgemäß dazu führen muss, dass diese abgeschlachtet werden. In dieser Szene wird er beiden Erwartungen gleichermassen gerecht.
Nicht wirklich. Für Auric war es, zumindest bisher, nie eine Option, den gewünschten Weg seines Vaters einzuschlagen. Nicht ohne Grund lernt man die Mutter vor dem Vater kennen.
Für mich hat Auric nur ein Ziel, nämlich aus seinem Barbarendasein ausbrechen. Von Anfang an hat er die traditionelle Lebensweise verachtet. Die Einflüsse und Erwartungen seines Stammes und seines Vaters sind kein Weg im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr Hindernisse, die ihm in seinen Weg gelegt werden. Hier gibt es quasi strikt ein Gut und ein Böse. Auric kämpft gegen das Böse, indem er ausbricht. Indem er gegen Vorurteile antritt und trotz aller Widrigkeiten doch zu den Ninrae findet.
Wenn du den ganzen Spass als Bild zeichnen würdest:
Ein grosser Pfeil von Barbar zu Ninra, mit "Gewitterpfeilen" rundherum, für Vorurteile und Stammesmitglieder, dennen diese Entwicklung nicht gefällt.

Zwei Wege bedeutet für mich, dass die Figur jederzeit abdriften könnte. Bisher hab ich dieses Gefühl nicht gekriegt. Seine Kriegsrede, als der Trupp von den Stelzern überfallen wird, begründet er rational und betont, dass dies nicht seine eigentlichen Gefühle sind.
Ebenso der barbarische Kampfschrei in seiner Zeit als Söldner.
Der einzige "Ausrutscher" ist das Erschlagen seines Vaters. Dies ist bisher die einzige Handlung, die wirklich emotional motiviert und im Affekt ausgeführt wurde.

Momentan bin ich bei den Ninrae, die mit den Schichten rumspielen, am Ende der ersten Hälfte des ersten Bandes. Seit ich wirklich darüber nachdenke, was ich lese, ist das Tempo um einiges zurückgegangen^^

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