Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

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minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 28. Okt 2012, 23:26

Hexodus hat geschrieben:Ich werde mich demnächst noch zum Wort melden und den einen oder anderen Aspekt mit euch diskutieren. Achso, herzlich willkommen im Forum ;)
eine weitere stimme in der diskussion! super!!!

was das abschrecken und anlocken angeht: beides wuerde ich vermuten. ninragon ist sicher nichts fuer jeden geschmack, aber welches buch ist das schon.

wenn du den 1. band durch hast, hast du die beiden besseren baende noch vor dir; der 3. band ist wirklich der hammer...

und by the way: schoene seite und schoenes forum. ich freue mich, hier zu sein... :)

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Mo 29. Okt 2012, 10:01

theDude hat geschrieben:Momentan bin ich bei den Ninrae, die mit den Schichten rumspielen, am Ende der ersten Hälfte des ersten Bandes. Seit ich wirklich darüber nachdenke, was ich lese, ist das Tempo um einiges zurückgegangen^^
Irgendwie habe ich gerade ein schlechtes Gewissen und frage mich, ob wir mit dieser Leserunde dabei sind, Dir das Lesen zu vergällen.
Ninragon ist kein Kant, das Lesen keine Arbeit.
Als ich Ninragon das erste Mal gelesen habe, fiel mir im Großen und Ganzen nur auf, dass sich das alles sehr viel anders liest, als ich es gewohnt bin.
Der erste Schritt für mich, war zu akzeptieren, dass der Autor sein Handwerk versteht und das Brüche, Schachtelsätze etc. bei mir als Leser wohl genau das Bewirken, was sie sollen. Es wäre sicherlich besser, wenn Du auch liest, ohne Dir zu viele Gedanken zu machen. Mit dieser Leserunde im Hintergrund ist das natürlich schwer.

Um den Infovorsprung, den ich habe, wenigstens in einer Sache zu verringern, hier ein Satz aus dem Klappentext, den man ruhig mal im Hinterkopf behalten kann:
Ninragon Klappentext hat geschrieben:Egal, wie die Zeit aussieht, in der wir leben, egal mit welchen Waffen wir kämpfen und wie die Städte aussehen, in denen wir leben, immer vergessen wir allzu leicht, dass unsere Gegenwart wenig mehr ist, als die uns sichtbare Oberfläche eines gewaltigen Ozean, der uns trägt, und in dem, uns unsichtbar, die Schatten und Mahre der Vergangenheit hausen.
Und noch eine interessante Stelle aus dem Blog von Horus über Hyperdrive, seinem ersten Buchprojekt und eben auch über Ninragon (Neue Zeit, neue Stimme - Neuer Roman):
Horus Blogpost hat geschrieben:Nachdem erst einmal der Sprung geschafft war, dass ich dieses Buch mit meinen heutigen Fähigkeiten überarbeiten will, habe ich vieles gefunden, was mich von dem Autoren von damals unterscheidet. Man kann es glaube ich dahingehend zusammenfassen, dass ich damals einen Befreiungsschlag gegenüber dem Korsett des Comics geführt habe, dass ich mich heute dagegen noch mehr und klarer als ein Schriftsteller sehe, der seinen Leser im Blick hat, sich im Dialog mit ihm weiß – in Abgrenzung zu einer Literatur, die nichts als Nabelschau und Selbstgespräch sein will.
Für mich klang das im ersten Moment wie eine Abwertung von Hyperdrive. Hyperdrive ist im Vergleich zu Ninragon tatsächlich ein Buch, dass die Leseerwartungen sehr viel eher erfüllt: Eine spannende, unterhaltsame, intelligente, gut verdauliche Story. Bei Ninragon kommt neben der sich auf vielen Ebenen wiederholenden Konstruktion, vor allem die stärkere Einbeziehung des Lesers hinzu. Er soll die Fremdartigkeit der Ninrae genauso erleben, wie das Grauen der Kämpfe, die Frustration gegen Vorurteile anzukämpfen und und und. Ninragon hält dem Leser den Spiegel vor, das klappt recht gut, kann aber auch dazu führen, dass sich der Leser von dem Buch abwendet. Das sieht man gut bei den negativen Rezensionen unter amazon:

1-Sterne-Rezension:
"Als langjähriger Fantasy-Leser bin ich durchaus gewohnt "Kriegsberichte" von Kämpfen zwischen Elfen/Elben , Menschen und sonstigen Fantasygestalten zu lesen. Aber selten haben mich die Beschreibungen der Gefechte so angewidert wie in diesem Buch."

2-Sterne-Rezension:
"Das Buch ist durchaus nicht schlecht, aber wer abends müde ins Bett geht und etwas zum Entspannen sucht, sollte es nicht lesen, da es schlicht zu viel Aufmerksamkeit erfordert. "

Aus Deiner Bemerkung
theDude hat geschrieben:Momentan bin ich bei den Ninrae, die mit den Schichten rumspielen
meine ich herauszulesen, dass Dein Intellekt jetzt beim Lesen eine zu starke Rolle spielt, daran dürfte unsere Leserunde ihren Anteil haben. Vielleicht einfach intellektuell noch mal 'nen Gang zurückschalten und sich entführen lassen.

theDude
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von theDude » Mo 29. Okt 2012, 13:31

ach was schlechtes Gewissen^^
Dank der Diskussion mit dir bin ich überhaupt erst mit Ninragon klar gekommen.

Keine Angst, ich philosophier auch nicht über jeden Schwertstreich. Aber bisschen nachdenken ist halt trotzdem von Vorteil.

Als Darachel mit seiner Mentorin spricht, kann man theoretisch einfach darüber hinweg lesen. So, bla-bla unnötiger Dialog style.
Man kann ihn sich aber auch etwas genauer ansehen, dann dauerts automatisch etwas länger. :)
Trotzdem lohnt es sich.
Dem entgegengesetzt die Kampfszene, in der Auric mit seinen Söldnerkollegen den Kypophraig(en?) auseinander nimmt. Dies war für mich eindeutig eine Actionpause. Spannend und mitreissend, wie ichs bis jetzt eigentlich nur aus Filmen und nicht aus Büchern kannte, aber ohne tiefere Hintergedanken. Eine Art Belohnung für den aufmerksamen Leser^^

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Mo 29. Okt 2012, 14:28

theDude hat geschrieben:ach was schlechtes Gewissen^^
Dank der Diskussion mit dir bin ich überhaupt erst mit Ninragon klar gekommen.
Na, das beruhigt mich wieder ein bisschen.
theDude hat geschrieben:Als Darachel mit seiner Mentorin spricht, kann man theoretisch einfach darüber hinweg lesen. So, bla-bla unnötiger Dialog style.
Man kann ihn sich aber auch etwas genauer ansehen, dann dauerts automatisch etwas länger. :)
Trotzdem lohnt es sich.
Mit den Ninrae-Szenen konnte ich meist nicht so viel anfangen.
Eine beeindruckende Szene hingegen, fand ich die Kaufmann-Szene (Etwa ab Position 2468)
Das von Auric vollendete Zitat in der Kaufmann-Szene passt übrigens auch gut zum weiter oben von mir zitierten Klappentext.
Die Arroganz mit der der Kaufmann Auric begegnet, obwohl Auric unter Beweis stellt, dass er die Sprache genauso gut spricht, um schliesslich das Zitat auf eine Art enden zu lassen, die Auric wieder zu seiner Herkunft, seinen Ahnen degradiert, egal was er kann.
Wieder die gewohnte Vielschichtigkeit:
Der Kaufmann spiegelt das Feuilleton, er lehnt das Fantasygenre ab, ob es alle Stilmittel der Literatur beherrscht, spielt dabei keine Rolle.
Der von mir zitierte Klappentext spiegelt sich auch in dem Zitat.

Oder was sagst Du hierzu (Position 2259):
Ninragon hat geschrieben:Ein zunehmender Mond stand darüber, wie ein bleiches, aufgequollenes Meeresgetier. Die glühende Kohle des Drachenmond schwebt nicht weit davon entfernt am Himmel, ungleich kleiner, unendlich weit entfernt, ein glosendes, stets lauerndes Auge.

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Mo 29. Okt 2012, 14:58

theDude hat geschrieben:Dem entgegengesetzt die Kampfszene, in der Auric mit seinen Söldnerkollegen den Kypophraig(en?) auseinander nimmt. Dies war für mich eindeutig eine Actionpause. Spannend und mitreissend, wie ichs bis jetzt eigentlich nur aus Filmen und nicht aus Büchern kannte, aber ohne tiefere Hintergedanken. Eine Art Belohnung für den aufmerksamen Leser^^
Nein, nicht entgegengesetzt. Ich versteh sicherlich bei weitem nicht alles, was in Ninragon passiert, aber an Zufälle oder Belohnungen für Leser glaube ich nicht mehr. ;)
Der Synphora ist blockiert, ein Wesen wird befreit, die Blockade ist aufgehoben, der Kyprophraig ist nicht allein.
Über diese Szene könnten wir nochmal einiges diskutieren. Aber vielleicht liest Du besser erst mal weiter.
Zuletzt geändert von minkey am Mo 29. Okt 2012, 15:05, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Mo 29. Okt 2012, 15:00

Und noch eine Bemerkung dazu: Genau das ist es ja, was Horus will: Es sind nicht unbedingt die abgedrehten, schwer verständlichen Ninrae-Szenen, in denen viel im Hintergrund passiert. Es können eben gerade auch die Actionszenen sein. Die Verbindung von Literatur mit Unterhaltung als Symbiose in einer einzigen Szene wohlgemerkt, nicht als abwechselnde Versatzstücke. Und das gilt für Ninragon von der ersten bis zur letzten Zeile.

(Ach hier gibts ja 'nen Ändern-Button. Hatte ich schon gesagt, dass dieses Forum sehr viel besser ist, als ein anderes ;) )

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von theDude » Mo 29. Okt 2012, 15:09

Joa, die Belohnungsbemerkung war ja auch eher halbironisch gemeint.

Nicht falsch verstehen, ich glaube nicht, dass die Actionszenen einfach oberflächliches Geschreibsel sind.

Der grosse Unterschied zum oben angesprochenen Dialog ist ein anderer. Bei Darachel muss man sich jede einzelne Information "erkämpfen". Man kriegt immer wieder ein anderes Puzzle-Teil zugeworfen und muss die irgendwie in ein schlüssiges Gesamtbild einordnen.

In der Kampfszene kriegt man eigentlich so gut wie alles mundgerecht serviert. Die Informationsdichte ist viel geringer. Dadurch ist ein viel entspannteres Lesen möglich -> "Belohnung" in Form einer "Erholungspause"

Ich schreib später noch mehr dazu, muss leider erst mal weg.

Und joa, auch ich fühle mich hier um einiges wohler :)

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » Mo 29. Okt 2012, 19:59

minkey hat geschrieben: Irgendwie habe ich gerade ein schlechtes Gewissen und frage mich, ob wir mit dieser Leserunde dabei sind, Dir das Lesen zu vergällen.
Ninragon ist kein Kant, das Lesen keine Arbeit.
Ich bin Minkey dankbar, dass er die Fahne ein bisschen niedriger gehängt hat. Hey, Leute, das ist doch alles nur Rock'n'Roll auf Papier. Man muss sich ja nicht gerade den Chart-Scheiß anhören.
Aber nochmal: So weit vom Mainstream sehe ich mich eigentlich nicht. Der Mainstream hat sich seit den 80ern und ihren Folgen doch ziemlich verändert (wie ich auch verwunder erkennen musste, als ich mich nach dem ersten Viertel vom Ninragon einmal umblickte). Und ich fühle mich wie gesagt unwohl, wenn man dem Buch so eine exponierte Stellung einräumt (ich fühle mich sogar unwohl, diese Worte überhaupt zu schreiben). Es ist eine gute unterhaltende Geschichte, ein Abenteuer. Und ein Autor, der seine Hausaufgaben macht, schaut zusätzlich noch, dass die Motivik sauber verknüpft ist, dass die Ebenen funktionieren, die Symbolik stimmt, dass das Gewebe an Verweisen stimmig und komplex genug ist. Das gilt (oder sollte gelten) für Fantasy genau wie für jedes andere Genre. Das ist einfach sauberes Handwerk. Und dass man etwas mehr, etwas von sich hereinlegt, bleibt bei der Intensität der Beschäftigung mit dem Stoff, den man beim Schreiben aufbringt, nicht aus. Das, was das alles an Wirkungen hervorruft kann dann vom Leser aufgenommen werden oder auch nicht. Ich spreche auch nicht so gern von interpretieren; ich rede lieber von aneignen. Und bei diesem Prozess verliert der Autor tatsächlich die Lufthoheit über die Auslegunng des Buches: Der Leser macht es zu seinem eigenen. Meine Auslegung ist danach so gut wie die seine. Es sind alles Worte auf Papier; es ist alles Unterhaltung. Es soll Spaß machen. Es gibt natürlich ziemlich flachen, Slapstick-mäßigen Spaß und nachhaltigen Spaß. Dieses ganze höchst befriedigende Handwerk des Geschichtenerzählens beschreibt John Gardner sehr eindringlich in seinen Non-Fiction-Büchern, besonders in "On Becoming a Novelist", dass ich jedem nur ans Herz legen kann. Genau wie James Woods "How Fiction Works", das vor einem Jahr vom deutschen Feuilleton als Revolution empfunden wurde, obwohl es eigentlich nur etwas Selbstverständliches äußerst luzide ausspricht. Aber der deutschen Szene war es wohl neu, dass man bei einem Buch nicht lustig über soziale und politische Implikationen fortinterpretieren sondern auch einmal auf die Worte schauen sollte.
Ansonsten fühle ich keinerlei Grund in eure Diskussion momentan einzugreifen: Ihr seid wunderbar dabei, euch das Buch anzueignen.
Hey Hexodus, schön, dich hier bei uns zu haben. Fein, dass dir der erste Band schon gefällt. Da kommt noch einiges auf dich zu.
Zuletzt geändert von Horus W. Odenthal am Di 30. Okt 2012, 07:17, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » Mo 29. Okt 2012, 21:08

Ach so, ja, ich fühle mich in diesem Forum auch sehr wohl. Hier wird es bestimmt noch interessant. Einen schönen Gruß an dieser Stelle an alle Forumsmitglieder, die uns hier so warm willkommen geheißen haben. Und ich poste das mal auch in einem weiteren Thread. ;)

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Di 30. Okt 2012, 10:08

Horus W. Odenthal hat geschrieben:Ich bin Minkey dankbar, dass er die Fahne ein bisschen niedriger gehängt hat. Hey, Leute, das ist doch alles nur Rock'n'Roll auf Papier. Man muss sich ja nicht gerade den Chart-Scheiß anhören.
Klar: Ninragon ist 'nur' intelligente Unterhaltung, nicht mehr. (Ich würde es ansonsten auch erst gar nicht lesen, ich *will* unterhalten werden, ansonsten lese ich ein Sachbuch.)
Horus hat geschrieben:Aber nochmal: So weit vom Mainstream sehe ich mich eigentlich nicht.
Hmm, wie grenzt Du denn den Mainstream ein, damit Ninragon nicht weit von ihm entfernt ist? ;)

Der Mainstream im Fantasygenre ist derzeit neben der 'Biss'-Welle, All-Age. Blenden wir diesen Mainstream aus und gehen in Fantasy für Erwachsene mit dem Anspruch der Autoren ihre Geschichten realistisch zu erzählen. Hey, dann ist Ninragon gar nicht mal so weit entfernt vom Mainstream.

Dann unterscheidet Ninragon vom Fantasy-Mainstream eigentlich nur noch, dass Du eine für eine Trilogie aberwitzige Erzählstruktur verwendest, die eigentlich nur für eine Kurzform geeignet ist, eine Struktur, an die sich wohl kaum ein Autor herantrauen würde, weil sie in dieser Länge sehr viel erzählerisches Geschick voraussetzt. Naja, und dass Du das Genre an sich zum zentralen Thema dieser Trilogie gemacht hast und dieses Thema mit allen Mitteln der Literatur auf allen Ebenen unterbringst. Und auf den Leser überträgst. Ein in sich geschlossenes sich selbst reflektierendes Konstrukt, wie ein Kristall. Dabei setzt Du aber die Unterhaltung in den Vordergrund, denn das ist das, was Dir eigentlich wichtig ist, den Leser zu unterhalten.

Ja, wenn ich in eine Bücherhandlung gehe, sehe ich das in üppiger Vielfalt auf den Tischen liegen... ;)

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