Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

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minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:03

Dude
Horus hat geschrieben:Es ist alles Literatur. Und alles Literatur ist Unterhaltung.
Ja und Nein.^^
Das ist sehr abhängig von deinem Verständnis von Unterhaltung. Die Literatur der Aufklärung beispielsweise wurde v.a. als Erziehung des Menschen verstanden. Nachdem Lessing verboten wurde, theoretische Schriften zu veröffentlichen, ist er auf Theater ausgewichen, um seine Gedanken zu verbreiten.
Natürlich ist für einen fähigen Leser mit dem richtigen Zugang diese Vielschichtigkeit extrem interessant und dadurch unterhaltend. Viele Menschen sind aber überfordert oder scheuen den zusätzlichen Energieaufwand. Sie sehen nur die vordergründige, vlt. sogar etwas komische Geschichte. Dadurch haben solche Bücher für sie keinen Unterhaltungswert.
Also entstanden weniger komplexe, für die massentauglichere Bücher.
Den Geschichten von Tolkien oder Martin kann man auch noch mit zwei Promille problemlos folgen.
Thoreau oder Kant machen selbst nüchtern Probleme.^^
Auch Nietzsche unterscheidet: "Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, daß Blut Geist ist." (Zarathustra)
Auf die heutige Zeit angewendet: Es gibt einige Autoren, die gehaltvoll und vielschichtig schreiben können und dies auch tun. In manchen Gebieten überwiegt aber die "Leichtkost". Dies liegt keineswegs am Gebiet, sondern an der Umsetzung durch die entsprechenden Autoren.
Horus hat geschrieben:Wenn ich darüber nachdenke: Vielleicht ist es für den Leser überraschend, dass ich Fantasy behandele, als wäre sie ein ganz normaler Teil der Literatur, kein geschütztes Biotop, kein Themenpark, kein "Genre".
Genau, das trifft zumindest auf mich zu.
Du hast vollkommen Recht, es gibt eigentlich keinen Grund, Fantasy als Motivquelle/Inspiration von der Literatur auszuschliessen. Dass dies dennoch geschieht, liegt weniger an den Eigenschaften dessen, was wir als Fantasy bezeichnen, sondern vielmehr an der Umsetzung heutiger Schriftsteller. Meine bisherige Fantasy-Erfahrung hat nun mal ein Klischee aufgebaut, das nun erfolgreich von dir zerstört wurde. ;)

Eine Parallele zur Musik: Wenn du bei moderner Popmusik mehr als drei Akkorde verwendest, wirst du gebrandmarkt und in eine Nische gedrängt. Trotzdem hätte Popmusik viel mehr Potential zu Vielschichtigkeit. Dies wird aber selten ausgenutzt, weil nur massentaugliche Dinge wirtschaftlich lohnen.
Minkey hat geschrieben:Den heftigen Bruch sehe ich darin, dass hier die Kinder aufs Schlachtfeld geführt werden, aber euphemistisch gesagt, eben nicht zum Helden werden.
Dann hab ich dich doch richtig verstanden und mich nur ungeschickt ausgedrückt :)

Inwiefern wird Auric nicht zum Helden?
Erst übernimmt er Verantwortung für seinen Trupp, nachdem sein Truppführer angeknabbert wird.
Danach wendet er die entscheidende Schlacht, indem er eine verrückte Idee ausprobiert.
Zum Schluss kommts auch noch zum Bruch mit seinem Vater, nachdem dieser seine Mutter zu Tode geprügelt hat.
Abgesehen davon ist er intellektuell und physisch (Schwertkampf) den meisten überlegen. Also ne Art Superman mit Superbrain.

Insofern zeigt er also Verantwortungsbewusstsein, Fähigkeit zur Führung und Unabhängigkeit.
Dadurch, dass er sich nicht in die valgarischen Gesellschaftsklischees reindrängen lässt, wird er in meinen Augen erst richtig zum Helden.
Der Bruch mit seiner Heimat ist der Entscheid eines kultivierten Freidenkers (-> vlt. später Parallele zu Darachel, mal schauen :) ).

Der grosse Unterschied ist vlt., dass normalerweise das Prophezeiungskind sein Schicksal erfährt und sich dann fügt / seine zugeteitle Aufgabe mit Bravour meistert. Auric lehnt sich aber gegen sein persönliches Schicksal auf. Niemand sagt ihm, was er tun muss. Er hat (zumindest bis jetzt) keinen Mentor, kein Besserwisser, der seinen Weg schon zu kennen glaubt.

Aber ich sehe, ich muss dringend weiterlesen. So wies jetzt aussieht, könnte Auric sogar noch irgend eine komische Prophezeiung der Ninrae erfüllen, wenn die sich überhaupt zu sowas niederem wie Prophezeiungen herablassen (auch wenn ich das wirklich bezweifle, nachdem, was ich so von euch gelesen habe..)

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:05

Minkey
Dude hat geschrieben:Dann hab ich dich doch richtig verstanden und mich nur ungeschickt ausgedrückt :)
Ich hatte mich schon gewundert.
Dude hat geschrieben:Inwiefern wird Auric nicht zum Helden?
Erst übernimmt er Verantwortung für seinen Trupp, nachdem sein Truppführer angeknabbert wird.
Danach wendet er die entscheidende Schlacht, indem er eine verrückte Idee ausprobiert.
Zum Schluss kommts auch noch zum Bruch mit seinem Vater, nachdem dieser seine Mutter zu Tode geprügelt hat.
Abgesehen davon ist er intellektuell und physisch (Schwertkampf) den meisten überlegen. Also ne Art Superman mit Superbrain.
...
Der grosse Unterschied ist vlt., dass normalerweise das Prophezeiungskind sein Schicksal erfährt und sich dann fügt / seine zugeteitle Aufgabe mit Bravour meistert. Auric lehnt sich aber gegen sein persönliches Schicksal auf. Niemand sagt ihm, was er tun muss. Er hat (zumindest bis jetzt) keinen Mentor, kein Besserwisser, der seinen Weg schon zu kennen glaubt.
Und da habe ich mich wohl unklar ausgedrückt.
Normalerweise wird das Prophezeiungskind auf dem Schlachtfeld zum Helden. Natürlich kann diese Entwicklung für Auric nicht ins Gegenteil verkehrt werden, das Buch wäre dann zu Ende.
Auric vereint beides in sich, Vater und Mutter, Fantasy und Literatur, in gewisser Weise Prophezeiungskind und Realismus. Auric als Person und Auric als Ninragon als Buch.
Der Jungtrupp wird stellvertretend für das Prophezeiungskind auf das Schlachtfeld geführt und erfährt das Schicksal, das Kinder natürlich auf einem Schlachtfeld erfahren, aber im Fantasygenre üblicherweise nicht erzählt wird. Auric hingegen wird zum Sohn, den sein Vater verdient. (Ich bin jetzt zu faul es nachzuschlagen, aber genau das wird er auch sagen.) Fantasy erschlägt Literatur, Auric erschlägt die Erwartungen, die Fantasy an den Leser setzt, indem er den Jungtrupp als Opfer auf das Schlachtfeld führt, in dem Wissen, dass er sie als Opfer einsetzt und ihre Überlebenschance bei Null liegt. Handelt so ein Held?
Nein, es ist das Fantasygenre, das so handelt und den Knaben der Prophezeiung überleben lässt. Letztendlich Gewaltverherrlichung. So wie Auric seinen Vater erschlägt, bricht er mit dem Genre.

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:05

Minkey

Beim Durchlesen habe ich festgestellt, dass mein letzter Kommentar arg verkürzt ist. Ich hoffe, ihr versteht trotzdem, was ich meine.

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:06

Minkey

Man kann das auch in anderer Hinsicht schön weiterspinnen:
Vater erschlägt Mutter, Fantasy fordert den Tribut von Literatur/Realismus, Auric überlebt eine Schlacht, die er eigentlich nicht überleben könnte.

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:06

Minkey
Dude hat geschrieben:Auric lehnt sich aber gegen sein persönliches Schicksal auf. Niemand sagt ihm, was er tun muss. Er hat (zumindest bis jetzt) keinen Mentor, kein Besserwisser, der seinen Weg schon zu kennen glaubt.
Der Besserwisser bei Auric ist sein Vater, dieser möchte seinen Weg vorzeichen: Werde der Sohn, den ich verdiene.
Auric lehnt sich dagegen auf, er will diesem Weg nicht folgen, wird aber darauf zurückgeworfen. Indem Auric seinen Vater erschlägt, bricht er im übertragenen Sinne mit dem Genre. Im Plot bricht das Buch an der Stelle mit dem Genre wegen des geopferten Jungtrupps. Gleichzeitig kann weder das Buch noch Auric als Person dem Genre entkommen. Indem Auric 'als Held' aus der Schlacht hervorgeht, bleibt er im Genre. In diesem Sinne bleibt auch sein Vater, also die Erwartungen, die das Genre an Auric stellt, erhalten. Der Körper ist tot, aber der Geist spielt in Aurics Kopf weiter, er kann sein Erbe nicht verleugnen.

Vielleicht ist es damit klarer.

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:07

Horus

Alles klar, minkey, alles verstanden.
@anderer Leser Mich hat das Nietzsche Zitat beeindruckt:
Dude hat geschrieben:Auch Nietzsche unterscheidet: "Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, daß Blut Geist ist." (Zarathustra)
Und mit: Alle Literatur ist Unterhaltung, meinte ich, dass jeden von uns etwas anderes unterhält. Die Ebene, das Niveau unterscheidet sich. Mancher wird davon unterhalten "erzogen zu werden". Der Kern, der Funke des Interesses, das sine qua non ist aber stets, dass ich mich unterhalten fühle. Ansonsten bin ich ein Masochist.
Wobei ich diesen Ansatz der Aufklärung stark in Zweifel ziehe. Jedenfalls auf die heutige Literaturszene übertragen. Die sogenannte anspruchsvolle Literatur ist meiner Meinung nach, wenn auch für die meisten unterschwellig, eigentlich nur Affirmations-Literatur. Man liest es, um die eigenen Ansichten bestätigt zu bekommen. Wie scheiße die Welt ist, wie kritisch und klarsichtig wir doch sind, das unbedingt etwas getan werden muss, was auch immer …
Wie R. Scott Bakker schon bemerkt, erhalten wir aber gerade in den "Genres" die Möglichkeit, jeden zu packen, egal welche Weltanschauung er sich auf die Fahnen geschrieben hat. Hier erreichen wir noch ein Publikum, das wir auch überraschen und schocken können, und das sich nicht schon so vorsortiert hat, dass es nur noch wissend und bitter im kritischen Ohrensessel mit rhythmisch und bestätigend mit dem Kopf nickt. Insofern besteht die Chance, dass gerade in den Genres die wahre Literatur passiert.
Wenn es ein Umfeld gibt, dass dazu den Mut hat.
Und wenn es Schriftsteller gibt, deren oberstes Ziel es ist, bei all dem eine unterhaltsame und packende Geschichte zu erzählen.
Das ist vielleicht die wahre Herausforderung für Schriftsteller, nicht einfach etwas auf die Seiten zu rotzen und versteh wer's verstehen will.
Die letzte und ultimative Schicht an Anstrengung darauf zu verwenden, das eigene Werk konsumierbar, verständlich und unterhaltsam zu machen, zu etwas, was den Leser will und Unterhaltung will, was packen und verstanden werden will, was den Leser nachhaltig beeindrucken und in eine äußerst unterhaltsame und bestrickende Welt entführen will.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:09

Minkey

@Horus: Bevor wir an der Stelle zu weit vorbei sind. Was mich beim Lesen in dieser Passage irritiert hat, war Virri. Er bekommt eine zentrale Bedeutung, wirkt aber, als wäre er nicht wirklich charakterisiert, eher eine abstrakte Rolle, stellvertretend für etwas anderes. Ich hatte erwartet, das er später im Verlauf der Geschichte noch auftauchen würde, aber das war nicht der Fall. Ok anhand von Virri wird gezeigt, wie er als Kind gebrochen wird. Aber dennoch ist das eine Stelle, die ich im Gesamtkontext in dieser Art fokussiert nicht verstehe.

minkey
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Sa 27. Okt 2012, 15:13

So, damit ist alles kopiert. Es ging besser und schneller, als ich befürchtet hatte (u.a. dank eines eingeschlafenen Kindes :) ).

Ich hoffe, wir finden wieder in die Diskussion rein. Eine Frage an Horus ist offen und Dude ist ebenfalls am Zug.

theDude
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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von theDude » So 28. Okt 2012, 11:00

Fantasy erschlägt Literatur, Auric erschlägt die Erwartungen, die Fantasy an den Leser setzt, indem er den Jungtrupp als Opfer auf das Schlachtfeld führt, in dem Wissen, dass er sie als Opfer einsetzt und ihre Überlebenschance bei Null liegt. Handelt so ein Held?
Auf jeden Fall!
Der grosse Unterschied liegt darin, dass Auric ausschliesslich Freiwillige "opferte" und sich mit einbezog. Als Beispiel kannst du Leonidas nehmen. Er schnappt sich ein paar Soldaten (nicht mal Freiwillige?) und lässt damit die Perser bei den Thermopylen bluten. Obwohl er weiss, wie aussichtslos sein Unterfangen ist, kämpft er, um den Rückzug und Neuaufstellung seiner Verbündeten zu decken. Er opfert sich und seinen Trupp für einen höheren Sieg. Dadurch wird er zu einem Mythos, zu einem Kriegshelden, von dem man bis heute in den Kinos hört.
Genauso macht es Auric. Er opfert seinen Jungtrupp und bringt sich selbst in Gefahr, um die Schlacht gegen eine Übermacht zu wenden. Genauso handelt ein Held.

Als Gegenbeispiel: Dschingis Khan, der unbewaffnete Sklaven vor seinem Trupp hertreiben lässt, damit diese gegnerische Pfeile fangen, während er sicher hinten bei seinen Haupttruppen steht. So handelt kein Held.
Der Besserwisser bei Auric ist sein Vater, dieser möchte seinen Weg vorzeichen: Werde der Sohn, den ich verdiene.
Im Gegenteil, sein Vater ist der Gegenpol, die Schlange, welche Auric zum Bösen verleiten möchte.
Mit Besserwisser meinte ich sowas wie Gandalf in Herr der Ringe. Frodo (das Prophezeiungskind) bewundert ihn und vertraut ihm. Gandalf weiss immer, was man machen muss, er ist quasi die Inkarnation des Guten. Oder von mir aus Brom in Eragon.
Am ehesten kommt für den Besserwisser mMn Aurics Mutter in Frage. Für eine klassische Fantasyrolle ist sie aber viel zu unbedeutend und zu schwach.
Aurics Vater ist die Inkarnation des Bösen. Man kann ihn mit Loki in gewissen nordischen Mythen vergleichen, der das Prophezeiungskind vom rechten Weg abbringen möchte. Oder mit dem Imperator in StarWars, der will, dass Luke sich der dunklen Seite anschliesst. Eine Auflehnung gegen solch eine Figur ist nichts aussergewöhnliches.
Auch böse Vaterfiguren sind in der Literatur, selbst in Fantasy, nix neues.

Auric hat von Anfang an einen klaren Weg, dem er folgen möchte. Dieser Weg hat er von seiner Mutter mitbekommen (Kultur, kein Schlächter etc.). Manchmal kommt er von seinem Weg ab, aber in seinem inneren hält er daran fest, in seinem inneren bleibt er einer der "Guten".
Zugegeben, Auric bricht mit Stammestraditionen. Dies macht aber selbst Winnetou ;)


Was deine Interpretation mit dem Genrebruch angeht: Eigentlich stütz du alles auf die Aussage von Aurics Vater "Werde den Sohn, den ich verdiene". Ansonsten hat der Vater aber nichts mit klassischer Fantasy zu tun.
Aurics Vater ist extrem aufbrausend, blutgeil, so gut wie dauerbetrunken und eine extrem starke Persönlichkeit.
- "Aufbrausend" passt überhaupt nicht zu dem Fantasy, das ich kenne. Meistens bewegt man sich doch in einer hübschen, heilen Welt, die von irgendetwas bösem bedroht wird.
- "Blutgeil" Naja, Ninragon ist um einiges blutiger.
- "dauerbetrunken" Eine weitere Eigenschaft, die nicht in die heile Welt der herkömmlichen Fantasy passt.

Aurics Vater ist viel zu roh, um schlüssig mit Fantasy assoziiert werden zu können.
Ihn losgelöst von seinen Eigenschaften zu sehen und auf eine Aussage zu reduzieren finde ich unzulässig.

Die einzige, für mich sinnige Parallele wäre: Auric bricht mit der Tradition, ebenso wie Ninragon mit Fantasy-Tradition bricht (fehlende Besserwisser, Sprache als Stilmittel, älteres Zielpublikum, ...).
Dass Auric die ganze Zeit über bereits von diesem Bruch weiss, kannst du vlt. mit einem inneren Gefühl des Autors in Verbindung bringen, der, obwohl er offiziell ein Fantasybuch schreiben wollte, von Anfang an wusste, dass es kein klassisches "Kuschel"-Fantasybuch wird.

Aja, zu Virri:
Für mich steht er simpel als Gegenpol zu Auric.
Auric hat nicht nur eine innere Abneigung gegen die gesamte Gewalt, sondern eine ganze Kultur, die dahinter steht. Seine Abneigung kommt nicht aus Instinkten/schwachen Gefühlen wie bei Virri, sondern eher aus einer fast schon akademischen Auseinandersetzung mit der Problematik (durch die Bücher und seine gebildete, kultivierte Mutter). Auric kommt zum Schluss, dass er seine Gefühle zumindest teilweise überwinden muss, um sein Ziel zu erreichen. Er muss zumindest ab und an jemanden abstechen. Sein Verstand triumphiert über seine Gefühle.
Virri fehlt diese logische Komponente, er gibt seinem Gefühl nach und zieht dadurch Aufmerksamkeit auf sich. Er wird gebrochen und wird dadurch zu dem, was Auric unbedingt vermeiden wollte.
Er personifiziert all die Dinge, die Auric in sich selbst bekämpft.

Eigentlich legitimiert Virri dadurch alle blutigen Handlungen, die Auric später ausführt. Schliesslich muss Auric sich anpassen, wenn er nicht wie Virri enden möchte.
Er gibt Auric die Möglichkeit, "blutig" zu handeln und trotzdem ein edler Held zu bleiben.

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Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 28. Okt 2012, 11:37

Nach der Erwiderung vom Dude werde ich mich hüten, noch irgendwas zu Virri zu sagen. Die Leser sollen darüber diskutieren; der Autor sollte nicht besserwisserisch proklamieren, was das, was er geschrieben hat, bedeutet. Es bedeutet das was der Leser daraus macht. Gute Literatur ist immer ambivalent. Hat man ein Buch "verstanden", kann man es getrost in den Müll werfen. Der Autor entwirft eine Struktur, macht sich Gedanken und macht ein Angebot. Und er hofft, das dieses Angebot komplex genug ist, um den Leser zu beschäftigen, ihn dazu zu bringen, sich mit dem Buch auseinanderzusetzen, es sich anzueignen, es im wahrsten Sinne zu seinem eigenen zu machen. Das macht ihr gerade. Ich werde mich hüten euch dabei zu stören. Das Autoren "verstanden" werden können und sollten ist in gewisser Weise meiner Meinung nach ein Mythos. Es würde einen Roman zu einem Pamphlet machen. Er soll aber unterhalten. Und je tiefer wir ins Buch abtauchen, und mit ihm beschäftigen, umso besser werden wir unterhalten. Die Gedanken vom Dude zu Virri sind gut, die von minkey auch. Alle sind legitim. Ich habe mir noch ein paar andere Gedanken zu ihm gemacht, aber die sind nicht so wichtig. Wichtig ist, was der Teil der klüger ist als mein Verstand aus dem Buch gemacht hat. Und das entscheidet der Leser. Jeder einzelne für sich.

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